Krabben und Räucheraal, Teepunsch und Eiergrog, rote Grütze, serviert unter Reetdächern in den hübschen Friesenhäusern und stattlichen Haubargen. Diese Spezialitäten findet der Besucher auf den Speisekarten der dreißig Kilometer langen und fünfzehn Kilometer breiten Nordseehalbinsel Eiderstedt. Dort, wo der Himmel so weit ist, wie es sich kein Bayer vorstellen kann. Viel Platz haben die weißen Wolken über dem flachen Land mit den gelben Rapsfeldern im Frühsommer, mit den Weiden, Kühen, Schafen und mit dem Eidersperrwerk, einem der größten Küstenschutzbauwerke des europäischen Kontinents.
Gotische Kirchen gibt es hier, deren Backsteine bei Sonne so unnachahmlich leuchten können. Und die mittelalterliche Sportart Boßeln, dieses Boccia-Spiel über die Felder, bei dem der Klare in Strömen fließt. Oder Klootstockspringen. Denn wie kommt ein Bauer von einer Weide zur nächsten, wenn ein breiter, wassergefüllter Graben dazwischenliegt? Er nimmt einen Stock, stakt ins Wasser und schwingt sich wie Tarzan hinüber. Eigenartig, nicht? Und noch ein sportliches Unikat gibt es auf Eiderstedt:
Auf dem kilometerlangen, festen Sandstrand von St. Peter-Ording können die dreirädrigen Strandsegler mit Spitzengeschwindigkeiten bis zu neunzig Kilometer in der Stunde entlangfliegen.
All diese, in unserer Eiderstedter Region vorkommenden Eigenarten, Begrifflichkeiten, Redensarten und Verhaltensweisen wollen wir Ihnen an dieser Stelle kurz vorstellen.
Diesen Sport gibt es nicht nur auf Eiderstedt, aber nur hier gibt es die einzig wahre Version des Boßelns. Auf Eiderstedt ist das Boßeln eine Mischung aus Diskus- und Speerwerfen. Die Kugel (Boßel) besteht aus Holz mit Bleifüllungen und ist bei den Erwachsenen Männern 500 Gramm schwer, die erwachsenen Frauen boßeln mit einer 3/4 Pfund Boßel. Die Regeln sind nicht so kompliziert, wie man als Zuschauer vermutet. Wichtig ist bei richtigen Boßlern nur, den beiden Mannschaften hin und wieder ein wenig Zielwasser nachzuschenken - gern einen Korn. Ein alkoholisches Getränk, das dem Reinheitsgebot unterliegt - schau an.
Wer sich schon einmal gefragt hat, was die Markierungen auf den Wegen an den Deichen zu bedeuten haben: Die Markierungen sind die Entfernung vom Beginn eines Straßenboßel-Wettkampfes. Die
Feldkämpfe in den Wintermonaten finden entweder am Deich oder über Land statt, dabei bleiben keine Entfernungsmarkierung.
Deich
(Plattdeutsch: Diek)
Die Deiche rund um Eiderstedt schützen die Eiderstedter vor nassen Füßen und regelmäßigen Umzügen auf den Dachboden ihrer Häuser. Da Eiderstedt nur knapp über dem Meeresspiegel liegt, verhindern die Deiche regelmäßige Überflutungen des Landes hinter dem Deich im Winterhalbjahr.
Deiche bestehen meistens aus einem Sandkern, der mit einer Schicht aus Kleiboden abgedeckt wird. Die Oberfläche wird zur Vermeidung von Erosion durch Wind und Wasser und zur Erhöhung der
Stabilität mit Gras bepflanzt. Die Deiche werden von Schafen (den Deichschweinen) gepflegt, die die Grasnarbe kurz halten und den Deich festtrampeln. Deiche, die den
Wellen der Nordsee direkt ausgesetzt sind, haben häufig eine Teerdecke.
Die Landseite des Deiches besitzt immer einen Deichverteidigungsweg, hier werden bei Sturmfluten z. B. Sandsäcke herantransportiert. Hinter der ersten Deichlinie gibt es häufig eine zweite
Deichlinie, die aus ehemaligen Seedeichen besteht und Schlafdeich genannt wird.
Deichschwein
(Plattdeutsch: Diekswien)
Die weiß-gelockten, hauptamtlichen Pfleger der Seedeiche werden manchmal liebevoll Deichschweine genannt. Die Deichschweine haben eine wichtige Aufgabe, sie halten das Gras auf dem Deich schön kurz und düngen es regelmäßig, außerdem treten sie den Deich überall fest, damit die nächste Strumflut sich an ihm die Wellen ausbeißt.
Schlafdeich
(Plattdeutsch: Sloopdiek)
Der Schlafdeich (nicht Schafdeich) ist kein Deich, an dem man im Sommer ein Mittagsschläfchen halten kann, sondern eine zweite, historische Deichlinie im Binnenland. Wenn bei der Neueindeichung der neue Deich vor der Linie des alten Deiches liegt, was meistens bei der Landgewinnung der Fall ist, bleibt der alte Deich meist als Schlafdeich im Hinterland bestehen. Er bildet dann eine zweite (schlafende) Deichlinie, die eine zusätzliche Sicherheit bei sehr starkem Hochwasser bietet.
Deichgraf
(Plattdeutsch: Diekgraaf)
Der Deichgraf ist kein Adeliger, der direkt an der Nordsee lebt, sondern der Vorstand des Deich- und Hauptsielverbandes. Die Bezeichnung Deichgraf ist in ländlichen Gebieten bis heute beibehalten worden. Der Deichgraf ist für die Unterhaltung und Neuanlage von Deichen zuständig. Der bekannteste, wenn auch fiktive, Deichgraf ist sicherlich der Deichgraf Hauke Haien aus Theodor Storms Novelle "Der Schimmelreiter".
Hier der Originaltext
Das Eiderstedter Heck
(Plattdeutsch: Dat Eiderstedter Heck)
Das Eiderstedter Hecktor ist eine Besonderheit der hiesigen Landwirte. Das "Heck" ist der Eingang zu einer Wiese und man findet diese Tore überall auf
der Halbinsel. Früher waren sie das Aushängeschild der Landwirte.
Heute findet man häufig Tore aus Stahlrohren, aber das ursprüngliche Eiderstedter Hecktor besteht aus Holz. Die Bauform ist typisch für Eiderstedt.
Fenne oder früher Meed
(Hochdeutsch: Wiese)
Eine Fenne ist eine Wiese, nur auf plattdeutsch. Manchmal findet man den Begriff in der Region in Straßennamen. Auf Eiderstedt wird der Eingang häufig von einem "Heck" verschlossen. Auf diesem Bild ist ein modernes Heck aus verzinktem Stahlrohr zu sehen. Man findet aber auch häufig noch das klassische Eiderstedter Heck aus Holz.
Small Five
(Plattdeutsch: lütje fief)
Wenn die Ebbe den Wattboden freigibt kommen sie zum Vorschein, die Small Five. In Anlehnung an die afrikanischen Big Five (Elefant, Nashorn, Büffel, Löwe und Leopard) werden die fünf wichtigsten Tiere des Wattenmeeres Small Five genannt. Man kann sie auf eigene Faust im Watt suchen oder sich einer Wattwanderung anschliessen und erhält so noch weitere Informationen zu diesem, zum Weltnaturerbe erklärten, einzigartigen Lebensraum.
Small Five:
Strandkrabbe, Krabbe, Herzmuschel, Wattwurm und Wattschnecke
Friesennerz
(Plattdeutsch: Gummitüch)
Es gibt Dinge, die sollten in keinem Kleiderschrank fehlen. Wie eben die richtige Regenkleidung. Seit Jahren dient der Friesennerz nicht nur Fischern und Seglern als Schutz gegen Nässe, sondern auch dem modernen Städter.